Dear all,
here comes another submission for possible inclusion in AUP at the daadgalerie in Berlin:
Project "Bilderpause" / "Image Intermission" 1996/2000 The Project and the photographs are attached to that form. Enjoy!
Bilderpause Ein Pausen Projekt für die Kölner Schildergasse (English Version below) Ausgangsüberlegungen: Als ich im April 1990 die "Noch DDR" besuchte, um die Bebilderung des so genannten öffentlichen Raums durch sozialistische Propaganda fotografisch zu dokumentieren, wurde ich zunächst sehr enttäuscht. Die Bürger der DDR hatten es offensichtlich nach der ersten "freien" Wahl sehr eilig gehabt, sich dieser Propaganda zu entledigen. Jedenfalls habe ich bis auf einige abgelegene Gedenkstätten und das Proletariat glorifizierende Wandreliefs nichts gefunden, was bildhaft die sozialistische Gesellschaftsform repräsentierte. Stattdessen erlebte ich quasi entbilderte Städte, weil Marlboro, Lindt-Schokolade und Chiquita-Bananen noch nicht auf Plakatwänden auf sich aufmerksam machten; die bescheidene, meist heruntergekommene Beschriftung der Läden fiel optisch kaum ins Gewicht. Auch gab es kaum Verkehrs-Schilder, die den öffentlichen Raum kolorierten. Spontan musste ich daran denken, dass die ersten modernen Städte im 19. Jahrhundert wie etwa Paris oder Berlin ähnlich gewirkt haben müssen. Und mir wurde plötzlich klar, was die Menschen massenweise in die derzeit Zeit jährlich stattfindenden Salonausstellungen im Grand Palais getrieben haben mag: Sie verspürten wohl einen Hunger nach Bildern, mit denen der öffentliche Raum zum damaligen Zeitpunkt noch nicht überflutet war. Wenn Urbanität noch im 19 Jh. stets auch Ausdruck politischen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses war, so zeigt sie sich heute oft als eine identitätslose, bestenfalls dekorative, auf Funktionalität getrimmte Restmasse von Banken, Kaufhäusern und jeder Art von Verkehr. Heute ist der Stadtraum nicht mehr Ort identitätsstiftender kommuner Erfahrungen, sondern Schauplatz eines massenhaften narkotisierenden Konsumrausches. Alles, was dieses Ziel öffentlicher Bewegungen hemmt, ist nicht willkommen. Hier setzt der Hebel der vorgeschlagenen Intervention Bilder Pause an.
Das Projekt Bilder Pause: Das Projekt geht aus meiner bisherigen Arbeit hervor, die ja grundsätzlich danach fragt: Was heißt es, sich ein Bild von etwas zu machen? Wie wirken Bilder auf den Menschen? Was bedeuten sie ihm? Die Konzeption der Bilder Pause ist zwischen Privatheit und Öffentlichkeit angesiedelt und stellt im genannten Sinn die Bilderfrage. Der Eingriff in den öffentlichen Raum ist als Handlung denkbar einfach und doch in der Realisierung höchst kompliziert, da er in Eigentumsverhältnisse und kommerzielle Interessen eingreift: Mitten in einer Einkaufszone, wie etwa der Kölner Schildergasse, werden auf einer Länge von 100 bis 200 Metern alle bildlichen und schriftlichen Repräsentationen abmontiert. Die Schaufenster beherbergen beispielsweise bloß noch Waren, die weder mit Bildern noch mit Texten bedruckt sind, und auch die Preisschilder– kurz einfach alles, was Bild oder Text ist, verschwindet. So unvermittelt, wie diese Bilder Pause einsetzt, hört sie wieder auf. Diese Stadtentbilderung dürfte den Blick auf den öffentlichen Raum radikal verändern: Möglicherweise stellt sich ein Moment der Orientierungslosigkeit ein, die den Passanten den öffentlichen Stadtraum in ästhetischer wie psycho-sozialer Hinsicht bewusst erleben lässt. Vielleicht wird ihm schlagartig die Konzeptionslosigkeit der Städteplaner auffallen. Auch der Obdachlose liegt immer noch vor demselben Eingang, nur ist er sichtbarer, weil keine bunten Bilder mehr den Blick von ihm ablenken. So entlarvt dieser Eingriff einerseits das öffentlich zur Schau gestellte bildnerische Fastfood als bürgerliche Strategie des Verschweigens. Andererseits wird der Stadtraum aus seiner scheinbar funktionalen Festgelegtheit herausgelöst und als vieldeutige autonome Erlebnisform freigesetzt. Als autonome Formen werden aber auch die entfernten Texte und Bilder behandelt: Sie sollen in einem Whitecube als Installation inszeniert werden. Die Störung gewohnter Sehweisen erzeugt eine erhöhte Aufmerksamkeit. Erhöhte Aufmerksamkeit stimuliert die Reflexion – Hoffentlich! © Andreas M. Kaufmann 1996
Foto-Simulation / 2000
Contemporary Art Center Bunkier Sztuki Kraków / 2002
Die „Bilderpause“ hat das Format der „INTERMISSION PROJECTS“ oder übersetzt “PAUSEN PROJEKTE” begründet. Diese Projekte setzten sich als potentielle Kunstwerke mit öffentlichen Räumen bzw. der Öffentlichen Sphäre auseinander. Doch wird hier bewusst kein Anspruch auf Realisation in der Wirklichkeit erhoben, sondern es geht vielmehr um möglichst perfekte Simulation – so, als ob es so gewesen wäre.
ENGLISH VERSION
Image Intermission An Intermission project for the Schildergasse in Cologne / Germany
Initial considerations: When in April 1990 I visited what was then still the German Democratic Republic (GDR) to shoot photographs of the Communist propaganda images plastering the so-called public domain, I was initially gravely disappointed. Evidently, the GDR citizens had been very quick to get rid of this propaganda after the first ‘free’ elections. Apart from a few memorials in remote locations and some murals glorifying the proletariat, I didn’t find any visual representations of Communism as a social form. Instead, the cities I saw were de-imaged, so to speak, since Marlboro, Lindt, Chiquita and the like had not yet inundated the billboards. The lettering advertising the shops was modest, mostly faded, and scarcely visible to the eye. There were hardly any traffic signs to add color to the streets. It occurred to me that the first modern cities of the 19th century, such as Paris or Berlin, must have looked something like that. Suddenly I knew what drove the masses to the then annual salon exhibitions in the Grand Palais – they were probably hungry for the images that had not yet started to flood public areas. If urbanity in the 19th century was always an expression of political and social self-understanding, its contemporary appearance is often that of a residual mass of banks, department stores and various means of transportation – devoid of identity, geared towards functionality, decorative at best. The urban realm is no longer a site of identity-giving communal experience, but the arena for delirious consumerism with a narcotic effect on the masses. Anything that interferes with this purpose of movements in public is unwelcome. This is the point at which ‘Image Intermission’, my proposed intervention, sets in.
The ‘Image Intermission’ project: This project is a continuation of my previous work that asks the basic question: what does it mean to create a picture of something? What effect do images have on people? What do they mean to them? The concept underlying ‘Image Intermission’ is located between the private and public realms, and questions the image along the lines stated above. My proposed public intervention is a conceivably simple act, yet highly complicated in the implementation, since it interferes with rights of ownership and commercial interests. In the centre of a shopping district such as the Schildergasse in Cologne, I would remove all displays of images and text for a stretch of 100 to 200 meters. For instance, the shop windows would contain only merchandise with no printed matter or pictures, and the price tags would disappear, too – along with everything else in pictorial or written form. This ‘image intermission’ would end as abruptly as it starts. It is likely that this de-imaging of the city would radically change the view of public space, and possibly bring about an impetus of disorientation that allows by passers to consciously experience both the aesthetic and psychosocial dimensions of the street. Some might instantly be struck by the plan less results of urban planning. The hobo might be lying outside the same doorway still, but would be more visible due to the absence of colorful pictures to distract one’s attention. In this way, the intervention would expose the public displays of visual fast food to be a bourgeois concealment strategy. Liberated from its apparently fixed functional definition, urban space would become a multilayered and autonomous form of experience. Eventually all the dismounted representations would be treated as autonomous Forms as well: They would be installed in an institutional White Cube. Disruption of accustomed viewing habits produces heightened attentiveness. And the latter stimulates reflection – hopefully! © Andreas M. Kaufmann 1996
The “PAUSEN PROJEKTE” or “INTERMISSION PROJECTS” are dealing with issues related to the public sphere and / or the public space. But they do not claim to be realized. In the contrary, they rather pretend that they have been already executed in a specific site. Actually the truth is that they exist only as more or less perfect simulations, aiming to look alike a photo-or video-graphical documentation – just as if everything has been that way.
Dear all,
here comes another submission for possible inclusion in AUP at the daadgalerie in Berlin:
Project "Bilderpause" / "Image Intermission" 1996/2000 The Project and the photographs are attached to that form. Enjoy!
Bilderpause Ein Pausen Projekt für die Kölner Schildergasse (English Version below) Ausgangsüberlegungen: Als ich im April 1990 die "Noch DDR" besuchte, um die Bebilderung des so genannten öffentlichen Raums durch sozialistische Propaganda fotografisch zu dokumentieren, wurde ich zunächst sehr enttäuscht. Die Bürger der DDR hatten es offensichtlich nach der ersten "freien" Wahl sehr eilig gehabt, sich dieser Propaganda zu entledigen. Jedenfalls habe ich bis auf einige abgelegene Gedenkstätten und das Proletariat glorifizierende Wandreliefs nichts gefunden, was bildhaft die sozialistische Gesellschaftsform repräsentierte. Stattdessen erlebte ich quasi entbilderte Städte, weil Marlboro, Lindt-Schokolade und Chiquita-Bananen noch nicht auf Plakatwänden auf sich aufmerksam machten; die bescheidene, meist heruntergekommene Beschriftung der Läden fiel optisch kaum ins Gewicht. Auch gab es kaum Verkehrs-Schilder, die den öffentlichen Raum kolorierten. Spontan musste ich daran denken, dass die ersten modernen Städte im 19. Jahrhundert wie etwa Paris oder Berlin ähnlich gewirkt haben müssen. Und mir wurde plötzlich klar, was die Menschen massenweise in die derzeit Zeit jährlich stattfindenden Salonausstellungen im Grand Palais getrieben haben mag: Sie verspürten wohl einen Hunger nach Bildern, mit denen der öffentliche Raum zum damaligen Zeitpunkt noch nicht überflutet war. Wenn Urbanität noch im 19 Jh. stets auch Ausdruck politischen und gesellschaftlichen Selbstverständnisses war, so zeigt sie sich heute oft als eine identitätslose, bestenfalls dekorative, auf Funktionalität getrimmte Restmasse von Banken, Kaufhäusern und jeder Art von Verkehr. Heute ist der Stadtraum nicht mehr Ort identitätsstiftender kommuner Erfahrungen, sondern Schauplatz eines massenhaften narkotisierenden Konsumrausches. Alles, was dieses Ziel öffentlicher Bewegungen hemmt, ist nicht willkommen. Hier setzt der Hebel der vorgeschlagenen Intervention Bilder Pause an.
Das Projekt Bilder Pause: Das Projekt geht aus meiner bisherigen Arbeit hervor, die ja grundsätzlich danach fragt: Was heißt es, sich ein Bild von etwas zu machen? Wie wirken Bilder auf den Menschen? Was bedeuten sie ihm? Die Konzeption der Bilder Pause ist zwischen Privatheit und Öffentlichkeit angesiedelt und stellt im genannten Sinn die Bilderfrage. Der Eingriff in den öffentlichen Raum ist als Handlung denkbar einfach und doch in der Realisierung höchst kompliziert, da er in Eigentumsverhältnisse und kommerzielle Interessen eingreift: Mitten in einer Einkaufszone, wie etwa der Kölner Schildergasse, werden auf einer Länge von 100 bis 200 Metern alle bildlichen und schriftlichen Repräsentationen abmontiert. Die Schaufenster beherbergen beispielsweise bloß noch Waren, die weder mit Bildern noch mit Texten bedruckt sind, und auch die Preisschilder– kurz einfach alles, was Bild oder Text ist, verschwindet. So unvermittelt, wie diese Bilder Pause einsetzt, hört sie wieder auf. Diese Stadtentbilderung dürfte den Blick auf den öffentlichen Raum radikal verändern: Möglicherweise stellt sich ein Moment der Orientierungslosigkeit ein, die den Passanten den öffentlichen Stadtraum in ästhetischer wie psycho-sozialer Hinsicht bewusst erleben lässt. Vielleicht wird ihm schlagartig die Konzeptionslosigkeit der Städteplaner auffallen. Auch der Obdachlose liegt immer noch vor demselben Eingang, nur ist er sichtbarer, weil keine bunten Bilder mehr den Blick von ihm ablenken. So entlarvt dieser Eingriff einerseits das öffentlich zur Schau gestellte bildnerische Fastfood als bürgerliche Strategie des Verschweigens. Andererseits wird der Stadtraum aus seiner scheinbar funktionalen Festgelegtheit herausgelöst und als vieldeutige autonome Erlebnisform freigesetzt. Als autonome Formen werden aber auch die entfernten Texte und Bilder behandelt: Sie sollen in einem Whitecube als Installation inszeniert werden. Die Störung gewohnter Sehweisen erzeugt eine erhöhte Aufmerksamkeit. Erhöhte Aufmerksamkeit stimuliert die Reflexion – Hoffentlich! © Andreas M. Kaufmann 1996
Foto-Simulation / 2000
Contemporary Art Center Bunkier Sztuki Kraków / 2002
Die „Bilderpause“ hat das Format der „INTERMISSION PROJECTS“ oder übersetzt “PAUSEN PROJEKTE” begründet. Diese Projekte setzten sich als potentielle Kunstwerke mit öffentlichen Räumen bzw. der Öffentlichen Sphäre auseinander. Doch wird hier bewusst kein Anspruch auf Realisation in der Wirklichkeit erhoben, sondern es geht vielmehr um möglichst perfekte Simulation – so, als ob es so gewesen wäre.
ENGLISH VERSION
Image Intermission An Intermission project for the Schildergasse in Cologne / Germany
Initial considerations: When in April 1990 I visited what was then still the German Democratic Republic (GDR) to shoot photographs of the Communist propaganda images plastering the so-called public domain, I was initially gravely disappointed. Evidently, the GDR citizens had been very quick to get rid of this propaganda after the first ‘free’ elections. Apart from a few memorials in remote locations and some murals glorifying the proletariat, I didn’t find any visual representations of Communism as a social form. Instead, the cities I saw were de-imaged, so to speak, since Marlboro, Lindt, Chiquita and the like had not yet inundated the billboards. The lettering advertising the shops was modest, mostly faded, and scarcely visible to the eye. There were hardly any traffic signs to add color to the streets. It occurred to me that the first modern cities of the 19th century, such as Paris or Berlin, must have looked something like that. Suddenly I knew what drove the masses to the then annual salon exhibitions in the Grand Palais – they were probably hungry for the images that had not yet started to flood public areas. If urbanity in the 19th century was always an expression of political and social self-understanding, its contemporary appearance is often that of a residual mass of banks, department stores and various means of transportation – devoid of identity, geared towards functionality, decorative at best. The urban realm is no longer a site of identity-giving communal experience, but the arena for delirious consumerism with a narcotic effect on the masses. Anything that interferes with this purpose of movements in public is unwelcome. This is the point at which ‘Image Intermission’, my proposed intervention, sets in.
The ‘Image Intermission’ project: This project is a continuation of my previous work that asks the basic question: what does it mean to create a picture of something? What effect do images have on people? What do they mean to them? The concept underlying ‘Image Intermission’ is located between the private and public realms, and questions the image along the lines stated above. My proposed public intervention is a conceivably simple act, yet highly complicated in the implementation, since it interferes with rights of ownership and commercial interests. In the centre of a shopping district such as the Schildergasse in Cologne, I would remove all displays of images and text for a stretch of 100 to 200 meters. For instance, the shop windows would contain only merchandise with no printed matter or pictures, and the price tags would disappear, too – along with everything else in pictorial or written form. This ‘image intermission’ would end as abruptly as it starts. It is likely that this de-imaging of the city would radically change the view of public space, and possibly bring about an impetus of disorientation that allows by passers to consciously experience both the aesthetic and psychosocial dimensions of the street. Some might instantly be struck by the plan less results of urban planning. The hobo might be lying outside the same doorway still, but would be more visible due to the absence of colorful pictures to distract one’s attention. In this way, the intervention would expose the public displays of visual fast food to be a bourgeois concealment strategy. Liberated from its apparently fixed functional definition, urban space would become a multilayered and autonomous form of experience. Eventually all the dismounted representations would be treated as autonomous Forms as well: They would be installed in an institutional White Cube. Disruption of accustomed viewing habits produces heightened attentiveness. And the latter stimulates reflection – hopefully! © Andreas M. Kaufmann 1996
The “PAUSEN PROJEKTE” or “INTERMISSION PROJECTS” are dealing with issues related to the public sphere and / or the public space. But they do not claim to be realized. In the contrary, they rather pretend that they have been already executed in a specific site. Actually the truth is that they exist only as more or less perfect simulations, aiming to look alike a photo-or video-graphical documentation – just as if everything has been that way.